Die Schildkröten (Testudinata, Testudines, ehemals auch Chelonia) sind eine Ordnung der Reptilien (Reptilia) und erschienen erstmals vor mehr als 250 Millionen Jahren im Keuper (Obertrias).
Man unterscheidet derzeit 313 Arten mit über 200 Unterarten
[1]. Die Schildkröten haben sich den unterschiedlichsten
Biotopen und
ökologischen Nischen angepasst. Die Spanne reicht dabei von mediterranen
Landschildkrötenarten, Gopher- oder Wüstenschildkröten und den besonders zahlreichen, kleineren Wasserschildkrötenarten in Nordamerika und Südostasien über groß werdende Fluss-Schildkröten in Südamerika, Riesenschildkröten auf einigen Inselgruppen, Weichschildkröten in Asien und Schlangenhalsschildkröten in Australien bis hin zu den größten, den
Lederschildkröten, die neben den Meeresschildkröten eine eigene Familie bilden. Schildkröten sind wechselwarme, eierlegende Kriechtiere (
Reptilia) und waren bereits auf der Erde, bevor sich
Dinosaurier entwickelten. Ihre nächsten Verwandten im Tierreich sind die übrigen
rezenten Reptilienarten und Vögel. Die Anpassungsfähigkeit der Schildkröten hat ihr Fortbestehen bis in die heutige Zeit sichern können. Durch menschliche Einflüsse sind heute aber viele Arten akut gefährdet
Verbreitung
Verbreitung: Land-, Wasser- und Sumpfschildkröten (schwarz),
Meeresschildkröten (blau)
Mit Ausnahme der Polargebiete besiedeln Schildkröten alle Kontinente. Sie kommen in verschiedenen Landstrichen vor, in tropischen Wäldern und Sümpfen, in Wüsten und Halbwüsten, Seen, Tümpeln, Flüssen, in Brackwassergebieten und in Meeren, in gemäßigten, tropischen und subtropischen Klimazonen.
In Europa gibt es neben den Meeresschildkröten nur sieben autochthone Arten, drei Land- und vier Wasserschildkrötenarten. Deutschland, Österreich und die Schweiz beherbergen nur eine einzige einheimische Schildkrötenart, die Nominatform der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis).
Körperbau und Lebensweise
Aufbau des Schildkrötenpanzers
Alle Schildkröten zeichnen sich durch einen im Tierreich einzigartigen Rücken- (Carapax) und Brustpanzer (Plastron) aus, die durch eine mehr oder minder starre Knochen- oder Knorpelbrücke miteinander verbunden sind. Der Panzer besteht in der untersten Schicht aus massiven Knochenplatten (Haut- oder Dermalknochen), die sich entwicklungsgeschichtlich durch Verschmelzung von Wirbelsäule, Rippen, Schulter- und Beckengürtel gebildet haben. Dieser weitgehend starre Knochenpanzer erfordert auch eine Anpassung der Atmung, die durch eine Bewegung der Extremitäten unterstützt werden muss. Über dem Knochenpanzer befindet sich eine Hautschicht. Bei den Weichschildkröten ist diese Haut lederartig, wohingegen die übrigen Arten auf der Haut die typischen Hornschilde (Scuta, Sg. Scutum) aus Keratin bilden. Diese Schilde lassen sich in Gruppen einteilen, wobei artbedingte Abweichungen anzutreffen sind.
- Auf dem Carapax von innen nach außen
- 5 Vertebralschilde (Wirbelsäulenschilde)
- 8 Pleuralschilde (Seitenschilde), manchmal auch als Costalschilde bezeichnet
- 24 Marginalschilde (Randschilde), wobei manchmal die hinteren beiden Schilde zu einem Supracaudalschild (Schwanzschild) verbunden sind
- 1 Cervicalschild (Nackenschild), manchmal auch als Nuchalschild bezeichnet
- Auf dem Plastron von vorne nach hinten
- 2 Gularschilde (Kehlschilde)
- 2 Humeralschilde (Schulterschilde)
- 2 Pectoralschilde (Brustschilde)
- 2 Abdominalschilde (Bauchschilde)
- 2 Femoralschilde (Hüftschilde)
- 2 Analschilde
Die Naht- und Verzahnungsstellen von Horn- und Knochenpanzer liegen nicht übereinander, sondern sind gegeneinander verschoben. Dadurch erhöht sich die Festigkeit des Panzers noch weiter. Das Aussehen des gesamten Panzers unterscheidet sich je nach Spezies stark. So weist der Rückenpanzer bei vielen Arten, insbesondere im Jugendalter, einen oder drei Längskiele auf. Bei den Höckerschildkröten und den Chinesischen Dreikielschildkröten sind diese kräftig ausgeprägten Höcker und Kiele sogar namensgebend. Verschiedene Gattungen (beispielsweise die Dosenschildkröten) können ihren Bauchpanzer mit Hilfe eines Scharniers hochklappen und so den gesamten Panzer verschließen. Eine ähnliche Funktion bietet das Scharnier im Carapax der Gelenkschildkröten.
Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich der Panzer der Schildkröten als Anpassung an den Lebensraum Wasser entwickelt hat. Der starre Körper ermöglichte danach ein schnelleres Vorankommen unter Wasser, insbesondere im Gegensatz zu den schlängelnden Bewegungen anderer Reptilien. Allerdings zeigen bereits die ältesten bekannten Schildkrötenfossilien einen hoch entwickelten Panzer, so dass über seine Ursprünge und seine Entwicklung nur spekuliert werden kann.
Sinnesleistungen
Schildkröten sehen sehr gut. Sie können Farben sogar besser differenzieren als Menschen, da ihre Augen wie bei allen Reptilien vier verschiedene Farbrezeptoren aufweisen. Sie sind dadurch in der Lage, auch Teile der nahen Infrarot- und Ultraviolett-Strahlung wahrzunehmen. Grautöne hingegen scheinen sie weniger zu differenzieren.
Die Linse der Wasserschildkröten ist so gestaltet, dass sie den Brechungswinkel von Wasser ausgleicht. Dadurch können die Tiere Feinde und Nahrung auch im Wasser klar erkennen. Jagende Schildkrötenarten können durch Veränderung ihrer Augenstellung sowohl räumlich als auch im Panorama sehen. Die Geschwindigkeit von visuell wahrgenommenen Bewegungen hat Einfluss auf die Fluchtreaktion. Nähert man sich einer Schildkröte sehr langsam, flüchtet sie später als bei schneller Annäherung.
Der Geruchssinn ist bei Schildkröten besonders stark ausgeprägt. Wasserschildkröten riechen durch kauend-pumpende Bewegungen des Unterkiefers und Halses. Die Geruchsrezeptoren befinden sich im Rachenraum. Durch den Geruch erkennen sie geeignete Nahrung oder Erde, in der sie ihre Eier vergraben können. Außerdem werden Geschlechtspartner am Geruch erkannt (bei aquatilen Arten auch unter Wasser), wahrscheinlich sogar über größere Distanzen.
Schildkröten haben ein voll ausgebildetes Innen- und Mittelohr, aber kein Außenohr. Sie hören Töne deshalb nicht im gleichen Umfang wie Menschen. Sie nehmen Schallwellen von etwa 100 Hz bis 1000 Hz wahr, also vor allem tiefe Vibrationen (Trittschall) aus ihrer Umgebung, möglicherweise auch Fressgeräusche von Artgenossen. Einer Studie aus Italien zufolge reagieren weibliche Schildkröten der Gattung Testudo sogar auf akustische Signale der Männchen beim Paarungsspiel, wobei sie schnell aufeinander folgende Geräusche und hohe Töne (kleine Männchen) zu bevorzugen scheinen.
Schildkröten können sich in ihren kognitiven Fähigkeiten mit allen anderen Reptilien messen. So merken sie sich Futterquellen und Fluchtwege. Ihr Orientierungssinn ist ebenfalls hervorragend ausgeprägt und scheint sich mit zunehmendem Lebensalter noch zu verstärken.
Weitere gut entwickelte Sinnesleistungen sind Schmerzempfindung, Temperatursinn und Gleichgewichtssinn.
Lautäußerungen
Schildkröten sind meist stumm. Ausnahmen stellen jedoch Schreckreaktionen dar. Hier stoßen diese Tiere durch schnelles Zurückziehen des Kopfes Luft aus, was einen fauchenden Zischlaut erzeugt. Bei Wasserschildkröten sind gelegentlich auch fauchende Drohlaute zu hören. Männchen vieler Landschildkrötenarten geben bei der Paarung piepsende oder keuchende Laute von sich, ähnlich wie auch Weibchen beim gelegentlichen Kampf mit anderen Weibchen um die besten Eiablageplätze.
Fortbewegung
Schildkröten bewegen sich sowohl an Land als auch im Wasser mit für Reptilien typischen schlängelnden Bewegungen fort, wobei der Panzer an Land in der Luft getragen wird. Diese Art der Fortbewegung senkt den Energiebedarf bei der Bewegung im Wasser, wirkt aber an Land zuweilen unbeholfen. Lediglich Meeresschildkröten haben eine für Reptilien einmalige Methode der Fortbewegung entwickelt. Sie schlagen die vorderen Gliedmaßen, die sich zu Flossen geformt haben, auf und ab. Auf diese Weise erreichen sie bei optimiertem Energiebedarf hohe Geschwindigkeiten unter Wasser, was ihnen das Zurücklegen auch längerer Strecken ermöglicht. Auch die Gliedmaßen von Landschildkröten bzw. Süß- und Brackwasserschildkröten sind an den jeweiligen Lebensraum angepasst. So lässt sich in den meisten Fällen die Bindung an das Wasser am Vorhandensein und der Ausprägung von Schwimmhäuten vor allem an den hinteren Extremitäten feststellen. Die Beine von Schildkröten, welche heiße Steppengebiete bewohnen, sind dagegen säulenförmig und ringsherum gegen Verletzung und Austrocknung durch starke Hornschuppen geschützt.
Nahrungsaufnahme und Ernährung
Bei den ältesten fossilen Schildkröten finden sich noch Zähne [2], die sich im Laufe der Evolution jedoch umgebildet haben. Heutige Schildkröten besitzen keine Zähne, sondern zu kräftigen Schneidewerkzeugen umgewandelte Kieferleisten. Wie alle Reptilien kauen Schildkröten ihre Nahrung nicht, sondern verschlingen sie entweder unzerkleinert oder sie reißen mit dem Maul Stücke ab, wobei sie die vorderen Gliedmaßen zu Hilfe nehmen.
Kopf- und Halsform eines Saugschnappers
(Matamata oder Fransenschildkröte),
Schildkröten sind größtenteils Allesfresser (sog. Omnivore). Je nach Art überwiegt allerdings meist stark die pflanzliche (herbivore) oder die fleischliche (carnivore) Kost. Manche Arten, insbesondere die im Wasser lebenden, wechseln von eiweißreicher Ernährung mit Wasserinsekten als Jungtiere zu energieärmerer, dafür aber leicht zu erlangender Pflanzenkost, wenn sie herangewachsen sind. Für das vergleichsweise große Knochenskelett und teilweise für die Ausbildung von hartschaligen Eiern brauchen Schildkröten calciumreiche Nahrung. Meist ist die Nahrung sehr abwechslungsreich, denn die Tiere sind bei der Suche nach Fressbarem wenig wählerisch. Ihr Nahrungsspektrum reicht je nach Art von Wiesenkräutern, Blüten, Früchten, Wasserpflanzen und Algen über Insekten, Würmer, Schnecken, Fische, Seesterne, Krabben und Quallen bis hin zu Aas und Ausscheidungsprodukten von Säugetieren. Einige Arten sind jedoch ausgesprochene Nahrungsspezialisten, wie z. B. die Lederschildkröte, die auf Quallen spezialisiert ist oder die Malaysische Sumpfschildkröte, deren englischer Name, Snail Eating Turtle, und ihre kräftigen Kiefer, die Vorliebe für das Knacken von Gehäuseschnecken verrät. Einige weitere Schildkrötenarten haben ihren Körperbau ebenfalls an spezielle Jagdmethoden angepasst, z. B. die Geierschildkröte, die ruhig mit geöffnetem Maul abwartet, bis sich ein Fisch für den wurmförmigen Zipfel in ihrem Maul interessiert. Eine weitere ungewöhnliche Fangmethode praktiziert die Fransenschildkröte oder Matamata, die im Schlamm mit algenbewachsenem Panzer getarnt lauert und ihre Beute durch plötzliches Aufreißen ihres riesigen Schlundes einsaugt.
Geschlechtsunterschiede und Fortpflanzung
Weibchen der Gesägten Flachschildkröte legen ein einziges, relativ großes Ei
Weibchen der Oliv-Bastardschildkröte legen viele, verhältnismäßig kleine Eier
Im direkten Vergleich zwischen geschlechtsreifen Männchen und Weibchen stellt man fest, dass sich die Ausscheidungsöffnung in der Schwanzwurzel des Weibchens, die Kloake, näher am Panzerrand befindet, die des Männchens dagegen eher zum Schwanzende hin liegt. Der Schwanz ist beim Männchen meist auch deutlich länger und am Ansatz breiter, da er den Penis beherbergt, der nur zur Begattung ausgestülpt wird. Weitere häufige Geschlechtsunterschiede sind geringere Körpergröße und ein stärker konkav geformter Bauchpanzer bei den Männchen, was die Kopulation erleichtert. Darüber hinaus gibt es sekundäre Geschlechtsmerkmale, die auf einzelne Gattungen, Arten oder gar Unterarten beschränkt sind, wie zum Beispiel verlängerte Vorderkrallen des Männchens bei den Schmuckschildkröten oder eine unterschiedliche Färbung der Iris bei manchen Dosenschildkröten und einigen Unterarten der Europäischen Sumpfschildkröte. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind beim Schlüpfling noch nicht zu erkennen, sondern werden erst im Vorfeld der Geschlechtsreife ausgebildet.
Zur Paarungszeit suchen die Männchen, die bei manchen Arten andere ökologische Nischen besiedeln, die Weibchen gezielt auf. Sie werden dabei vermutlich durch Geruchshormone (Pheromone) geleitet. Dem eigentlichen Paarungsakt geht bei den meisten Arten eine Balz voraus, die auf den Menschen eher grob wirkt. Je nach Art kommt es zur Verfolgung und Umkreisung des Weibchens mit teilweise heftigen Bissen in ihre Extremitäten und Rammstößen gegen den Panzer. Bei der Kopulation reiten die Männchen auf und klammern sich teilweise am Panzer des Weibchens fest. Aufgrund der Möglichkeit zur Samenspeicherung bleibt das Weibchen nach einer erfolgreichen Kopulation über mehrere Jahre befruchtungsfähig, ohne erneut kopulieren zu müssen, was den Erfolg der Schildkröten bei der Besiedlung neuer Lebensräume, z. B. den Galápagos-Inseln erklären könnte.
Breitrandschildkröte,
kurz vor dem Schlupf …
Die Paarungszeit liegt bei Arten aus der gemäßigten Klimazone überwiegend im Herbst und Frühjahr, wogegen sich tropische Arten eher nach Regenzeiten und Luftfeuchtigkeit richten.
Die Eiablage (Oviposition) erfolgt einige Wochen nach der Befruchtung und findet bei allen Arten an Land statt. Im Einklang mit den Jahreszeiten sucht das trächtige Weibchen eine für die Eizeitigung geeignete Stelle auf, wofür es häufig lange, gefährliche Wanderungen in Kauf nimmt. Es achtet dabei auf die Sonnenlage des Platzes, dessen Bodenbeschaffenheit, Überschwemmungssicherheit und vermutlich noch auf weitere Faktoren. Einmal ausgewählt, wird diese Eiablagestelle meist über viele Jahre beibehalten. Das Weibchen gräbt mit den Hinterbeinen eine tiefe, häufig birnenförmige Grube, legt die Eier vorsichtig hinein und scharrt die Grube wieder sorgfältig zu, so dass keine Nesträuber angelockt werden. Das Ausbrüten der Eier überlassen die allermeisten Schildkrötenweibchen der Sonne. Wenige Schildkrötenarten betreiben eine Art Brutpflege durch Bewachung der Niststelle. Dazu zählt die Braune Landschildkröte, eine Art aus der Gattung der Hinterindischen Landschildkröten. Weibchen dieser Art scharren mit ihren Vorderbeinen einen Nisthaufen aus Laub, Sand und Gras zusammen, der einen Durchmesser von 1 bis 2,50 Meter hat und zwischen 20 und 50 Zentimeter hoch sind.[3] In der Haufenmitte gräbt das Weibchen mit dem Kopf die Nistgrube. Anschließend bewacht sie das Gelege für eine Zeitdauer von 2 bis 20 Tagen. Dabei legt sie sich mitunter direkt auf die Nistgrube. Sie verteidigt ihre Nistgrube gegenüber Fressfeinden jedoch auch durch Bisse oder den Versuch, den Fressfeind von der Nistgrube wegzuschieben. [4]
Die Eier unterscheiden sich in Form, Größe und Beschaffenheit bei den verschiedenen Arten sehr. Teilweise sind sie wie bei Vögeln von einer harten Kalkschale umgeben. Manche Arten umhüllen ihre Eier aber auch nur mit einer lederartigen Haut und einer schützenden Schleimschicht. Anders als bei Vögeln besitzen die Eier aber keine Hagelschnüre, an der der Dotter drehbar aufgehängt ist. Deshalb dürfen Schildkröteneier nach begonnener Embryonalentwicklung nicht mehr gedreht werden, sonst stirbt der Keimling ab. Die Anzahl von Eiern und Gelegen pro Saison variiert stark, von einem einzigen Ei, z. B. bei der kleinsten Landschildkrötenart (Homopus signatus), bis zu 200 Eiern bei den Meeresschildkröten.
… und direkt danach,
Eischwiele, Bauchfalte und Reste des Dottersackes sind noch vorhanden
Bei einigen Arten wird das Geschlecht nicht genetisch bereits bei der Befruchtung festgelegt, sondern erst durch die Bruttemperatur bestimmt (z. B. bei Europäischen Wasser- und Landschildkrötenarten). In bestimmten Temperaturbereichen schlüpfen überwiegend oder sogar ausschließlich Weibchen bzw. Männchen. Dieser Umstand hat sich als Vorteil bei Zuchtprojekten zum Schutz des Artenbestandes erwiesen. Die Inkubation erfolgt je nach Art in etwa 50 bis 250 Tagen. Nach Ende der Entwicklungszeit füllt die kleine Schildkröte das Ei vollständig aus. Bei hartschaligen Eiern ritzt sie die Schale oft mit der Eischwiele am Oberkiefer an und öffnet ein erstes Fenster. In einigen Fällen wird die Schale auch mit einem Bein geöffnet. Danach beginnt sich der gefaltete Bauchpanzer zu strecken und sprengt die Schale vollkommen auf. Nach dem Schlupf bleiben die kleinen Schildkröten oft bis zur vollständigen Resorption des Dottersacks in der Nisthöhle, bis sie sich in gemeinsamer Anstrengung zur Oberfläche graben. In Trockengebieten geschieht das meist nach einem spätsommerlichen Regen, der den Boden aufweicht und für Pflanzenfresser auch üppige Nahrung verspricht. An der nördlichen Grenze ihres Verbreitungsgebiets überwintern Schildkrötenschlüpflinge häufig noch in der Nistgrube und kommen erst im folgenden Frühjahr an die Oberfläche. Das Muttertier leistet in keinem Fall Schutz oder Aufzuchthilfe, die Jungen sind vom Schlupf an auf sich alleine gestellt und sind teilweise sogar eine willkommene Beute für erwachsene Artgenossen. Bis zur Geschlechtsreife vergehen mehrere Jahre. Sie ist hierbei nicht nur vom Alter, sondern auch von der Ernährungslage des Tieres abhängig.
Mögliches Höchstalter
Schildkröten können ein sehr hohes Alter erreichen. Das Geburtsjahr der Galápagos-Riesenschildkröte (Geochelone nigra) Harriet, die im Australia Zoo lebte und am 23. Juni 2006 verstarb, wird auf 1830 geschätzt, womit sie mindestens 176 Jahre alt geworden ist. Amerikanische Dosenschildkröten (Terrapene) sollen weit über 100 Jahre alt werden können und Meeresschildkröten (Cheloniidae) leben wahrscheinlich 75 Jahre oder mehr. Bei guter Pflege werden als Haustier gehaltene Schmuckschildkröten 40 Jahre und älter.
Zu den ältesten Individuen gehörte auch Timothy, eine weibliche Maurische Landschildkröte (Testudo graeca). Das ehemalige Maskottchen der britischen Marine wurde 160 Jahre alt, obwohl sie die ersten 40 Jahre ihres Lebens an Bord eines Kriegsschiffes vermutlich nicht artgerecht gehalten wurde.
Im Gegensatz zum potenziellen Höchstalter steht die durchschnittliche Lebenserwartung der meisten Schildkrötenarten unter natürlichen Bedingungen, die meist deutlich niedriger ausfällt. Für die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) beträgt sie in der Natur nur etwa 10 Jahre ab der Geschlechtsreife (Hailey 1990/2000).
Beispiele für besonders alte Schildkröten (laut traditionellen, meist nicht ganz sicheren Angaben) waren:
- Adwaita (* um 1750 (?); † 22. März 2006) (256 Jahre)
- Tu'i Malila (* um 1773 oder 1777; † 19. Mai 1965) (188 oder 192 Jahre)
- Harriet (* um 1830; † 23. Juni 2006) (176 Jahre)
- Timothy (* um 1844; † 4. April 2004) (160 Jahre)
Die 2006 im Zoo von Kairo verstorbene Galápagos-Riesenschildkröte war nach Angaben des Zoodirektors 270 Jahre alt und früheres Privateigentum von König Faruq.[5]
Meeresschildkröte vor Hawaii, USA
Größenunterschiede
Neben vielen Arten, die nur 10 bis 50 Zentimeter groß werden, wie z. B. die Europäischen Land-, Sumpf-, und Bachschildkröten Testudo, Emys und Mauremys finden sich auch die Riesenschildkröten auf den Galápagos-Inseln (Geochelone nigra) bzw. den Seychellen (Dipsochelys dussumieri), die eine Panzerlänge von über einem Meter erreichen. Noch wesentlich größere Panzerlängen erreichen Meeresschildkröten sowie die beinahe ausgestorbene Hoan-Kiem-See-Riesenweichschildkröte. Die kleinsten Schildkröten sind die Männchen der Gesägten Flachschildkröte Homopus signatus aus Südafrika mit einer Rückenpanzerlänge von durchschnittlich ca 7,5 cm und einem Gewicht von ca. 70 g. Als größte Art gilt die Lederschildkröte Dermochelys coriacea mit bis zu 250 cm Panzerlänge und 900 kg Gewicht.
Größenangaben bei Schildkröten beziehen sich im Normalfall auf die Rückenpanzerlänge ohne Kopf, Beine und Schwanz. Gemessen wird im Stockmaß, also gerade entlang der Längsachse mit Hilfe einer Schiebelehre und nicht mit dem Bandmaß über dem Panzerbogen.
Äußere Systematik
Die genaue systematische Stellung der Schildkröten innerhalb der Reptilien ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. Da die Schildkröten keine
Schädelfenster haben, werden sie meist zusammen mit einigen ausgestorbenen Reptilientaxa in die
Anapsida gestellt. Sie sind dann wahrscheinlich die
Schwestergruppe der
Pareiasauria oder aus diesen hervorgegangen. Daneben vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dass die Schildkröten die Schädelfenster sekundär wieder verloren haben und somit zu den
Diapsida gehören. Die Vertreter dieser Hypothese sind sich aber uneinig, ob die Schildkröten näher mit den
Archosauria (dazu gehören die
Krokodile,
Dinosaurier und
Vögel) oder mit den
Lepidosauria (Echsen und Schlangen) verwandt sind. Nach der Archosauria-Hypothese gehören die Schildkröten zu den
Archosauromorpha und wären wahrscheinlich die Schwestergruppe der
Rhynchosauria. Die Anhänger der Lepidosauria-Theorie vermuten einen
marinen Ursprung der Schildkröten und sehen sie als Schwestergruppe der
Sauropterygia, eine Gruppe großer mariner Reptilien aus dem
Mesozoikum, die zusammen mit den Lepidosauria das Taxon
Lepidosauromorpha bilden.
[6] 2008 wurde
Odontochelys semitestacea wissenschaftlich
beschrieben, die älteste bekannte Schildkröte. Die fossilen Überreste dieses im Meer lebenden, etwa 40 Zentimeter langen Tieres wurden in der Provinz
Guizhou in China gefunden.
Odontochelys besaß Zähne in Ober- und Unterkiefer und hatte keinen Rücken-, sondern nur einen Bauchpanzer
Der Plastron (Bauchpanzer) einer Geierschildkröte
Der Carapax (Rückenschild) einer Geierschildkröte
Schwarzknopf-Höckerschildkröte mit charakteristischer Ausprägung der Vertebralschild
Glatte Weichschildkröte
keine Hornschilde, nur Haut bedeckt den Knochenpanzer
Verallgemeinertes Anordnungsschema der Hornschilde (Scuta) auf dem Carapax
Verbreitung: Land-, Wasser- und Sumpfschildkröten (schwarz),
Meeresschildkröten (blau)